Gebäudereinigung: Das beschäftigungsreichste Handwerk im Portrait
Die Gebäudereinigung ist eines der vielfältigsten Gewerke: Von der klassischen Unterhaltsreinigung über die Glasreinigung bis zu speziellen Hygiene- und Desinfektionsmaßnehmen gibt es etliche Dienstleistungsfelder. Das Handwerk blickt auf eine lange Geschichte zurück – und ist nicht umsonst die Branche mit den meisten Beschäftigten in Deutschland.
Die Geschichte der Gebäudereinigung: Vom Wagenwäscher zum Lehrberuf
Das Handwerk des heutigen „Glas- und Gebäudereinigers“ – ein anerkannter Ausbildungsberuf mit dreijähriger Lehre – blickt auf eine Lange Geschichte zurück. Denn klar: Was schmutzig werden kann, muss wieder gereinigt werden. Doch auch wenn manche Quelle bereits das Putzen der eigenen Höhle in der Steinzeit als eine Art der „Gebäudereinigung“ betrachtet, kann erst ab dem frühen Mittelalter von einem ersten „Beruf“ die Rede sein. Reiche Griechen, Ägypter und Römer beschäftigten eigenes (oft unfreiwilliges Sklaven-) Personal, um neben anderen Aufgaben ihre Gebäude in Schuss zu halten.
Warum die Erfindung von Glas so wichtig für das Handwerk der Gebäudereinigung war
Eine erste aktive Berufsszene entstand dann nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618 bis 1648), als sogenannte „Wand- und Wagenwäscher“ in Norddeutschland ihre Dienste anboten. Sie waren vor allem auf die Gebäude in den stark ramponierten Städten fokussiert. Eine erste Professionalisierung mit Wende zu einem „richtigen Handwerk“ war allerdings erst mit der kostengünstigeren Herstellung von Glas (1861) geboren. Als sich plötzlich auch Menschen aus der Mittelschicht Fenster des damals begehrten Rohstoffs leisten konnten, war die Grundlage für die gewerbliche Glasreinigung gelegt. In dieser Zeit entstanden auch Bahnhöfe, Einkaufszentren, Verwaltungen mit breiten Glasfronten – die ersten Unternehmen in der Gebäudereinigung wuchsen parallel. Mit der – zumindest historisch festgehaltenen – ersten Fassadenreinigung im Jahr 1888 war zudem ein weiteres Tätigkeitsfeld geboren.
Bis das Handwerk des Gebäudereinigers auch als Ausbildungsberuf Fuß fasste, dauerte es noch mehr als 40 Jahre. Zwar wurde 1901 mit dem Verbund der Reinigungs-Instituts-Unternehmer Deutschlands eine erste Berufsorganisation gegründet, deren Mitglieder auch eine Anerkennung als Ausbildungsberuf forderten. Doch mit Beginn des Ersten Weltkriegs (1914-1918) wurden alle männlichen Arbeitnehmer im Reinigungsgewerbe zum militärischen Dienst berufen. Der Verband stellte seine Arbeit ein.
1934: In Deutschlands dunkler Zeit wird die Ausbildung anerkannt
Während die Nationalsozialisten in Deutschland an der Macht waren, wurde die Glas- und Gebäudereinigung als „Handwerk“ anerkannt. Handwerker mussten einer Innung beitreten. Sämtliche Innungen wurden in diesem Zuge „gleichgeschaltet“, Juden durften kein Handwerk mehr ausüben. In dieser dunklen Zeit wurde das Handwerk des Glas- und Gebäudereinigers zu einem anerkannten Ausbildungsberuf. Bis heute ist eine dreijährige Lehre für einen Gesellenbrief vorgesehen. Anschließend kann der Meister gemacht werden. 1934 gründete Rudolf Weber das bis heute tätige, gleichnamige Unternehmen in Halle. Auch er wurde als Soldat zwangsverpflichtet und saß bis 1945 in Kriegsgefangenschaft. Anschließend baute er ein Unternehmen für Gebäudereinigung in Essen auf, das heute mehr als 4.100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt.
DIN-Norm, Dienstleistungsvielfalt, Professionalisierung: Gebäudereinigung bis heute
In den Nachkriegsjahren entwickelte sich das Handwerk zu einem immer professionelleren Tätigkeitsfeld. Weitere Dienstleistungen wie spezielle, chemische Reinigungsverfahren sind bereits Teil der Ausbildung, die auch einen hohen Spezialisierungsgrad (z.B. Desinfektor, Tatortreiniger, Industriekletterer etc.) bietet. Gebäudereinigungsunternehmen nach DIN-Normen zertifiziert und an die Innung der Gebäudedienstleister angeschlossen. Die BG Bau ist die zuständige Berufsgenossenschaft.
Handwerk der Gebäudereinigung: Früher und heute
Die Wirtschaftslage der Gebäudereinigung
Nach Zahlen des Bundesinnungsverbands der Gebäudedienstleister ist das Gebäudereinigungshandwerk in Deutschland vor allem durch kleine und mittelständische Unternehmen geprägt. Mehr als 80 Prozent aller Betriebe erwirtschaften weniger als 500.000 Euro Jahresumsatz. Gleichzeitig realisieren sie aber lediglich 13 Prozent des Gesamtmarkt-Umsatzes. Nur rund zwei Prozent der Gebäudereinigungsunternehmen erwirtschaften mehr als 5 Millionen Euro Jahresumsatz (54 Prozent des Branchenumsatzes). Die „Mittelschicht“ (von 500.000 bis 5 Millionen Euro – 33 Prozent Umsatzanteil) macht 17 Prozent des Marktes aus.
Mehr als 700.000 Menschen arbeiten in der Gebäudereinigung
Auch wenn man es kaum glauben mag, ist die Gebäudereinigung nicht nur ein wachstumsstarkes Handwerk, sondern auch „die beschäftigungsstärkste Handwerksbranche Deutschlands„. So verdienten nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes 2019 etwas weniger als 700.000 Menschen in Deutschland in unserer Branche ihr täglich Brot. Zum Vergleich: Im Jahr 2008 waren gerade einmal 549.591 Angestellte in der Gebäudereinigung tätig.
Ein weiterer Wachstumsindikator der Gebäudereinigungsbranche sind die Umsatzzahlen sowie die Anzahl der Unternehmen. Während 14.276 Unternehmen im Jahr 2008 noch einen Umsatz von 11,4 Milliarden Euro erwirtschafteten, waren es 2019 schon 25.706 Betriebe mit 19,4 Milliarden Euro Umsatz. 2020 flachte das Wachstum zwar leicht ab – Hintergrund ist hier aber die Coronavirus-Pandemie. Sie stellte für einige Unternehmen durch spezielle Hygienedienstleistungen wie die Langzeitdesinfektion auch eine große Chance dar. In der Tabelle unten ist die historische Entwicklung der Umsätze und Beschäftigten in der Gebäudereinigung festgehalten.
Infografik: Der Gebäudereinigungsmarkt in Deutschland
Blick über den Tellerrand: Gebäudereinigung in Europa
Viele Gesetze und Verordnungen, die auch das Gebäudereinigungshandwerk betreffen, gehen auf die Europäische Union zurück. Aus diesem Grund ist der Vergleich mit unseren Nachbarländern durchaus interessant – und machbar. Wie der Dachverbandes der Reinigungsindustrie EFCI berichtet, sind in Europa 4 Millionen Arbeitnehmer in 283.000 Gebäudereinigungs-Unternehmen tätig. Der Gesamtumsatz beträgt hier 120 Milliarden Euro. Gemessen an dieser Zahl ist Deutschland mit seinem Gesamtmarkt in Europa führend. Es folgen Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien.
Die Ausbildung zum Glas- und Gebäudereiniger
Die Branche der Gebäudereinigung bietet vielen Berufsgruppen eine gute und sichere Beschäftigung. So sind Gebäudereinigungsunternehmen auch für Bürokaufleute, Personaler, Vertriebsspezialisten, Marketer etc. ein beliebter Arbeitgeber. Dazu kann man als Reinigungskraft (ungelernt, häufig in Teilzeit/geringfügig) oder in Führungsebene als geprüfte Objektleitung durchstarten. Doch natürlich ist die dreijährige Ausbildung zum Glas- und Gebäudereiniger der direkteste Weg, um in der Branche Fuß zu fassen. Sie bietet neben der Perspektive auf einen sicheren Arbeitsplatz viele Weiterbildungsmöglichkeiten und ein spannendes Berufsfeld. Denn unbestritten ist, dass Gebäudereinigung viel mehr ist, als nur zu „putzen“.
Ausbildung zum Glas- und Gebäudereiniger: Fabian Stumpe über seine Zeit bei Rudolf Weber
Voraussetzungen: Das sollte man als Glas- und Gebäudereiniger mitbringen
Um eine Ausbildung zum Glas- und Gebäudereiniger zu beginnen, ist mindestens ein guter Hauptschulabschluss notwendig. Insbesondere in den Fächern Chemie, Mathematik und Physik sollten die Noten sehr gut bis gut sein. Zusätzlich sind erste Praxiserfahrungen (z.B. durch Praktika oder Nebenjobs als Reinigungskraft) bei potenziellen Ausbildungsbetrieben gerne gesehen. Da es in der späteren Berufsausübung auch mal mit dem Hubsteiger oder der Gondel hoch hinaus geht, sollte der angehende Lehrling grundsätzlich schwindelfrei sein. Darüber hinaus ist der Beruf nichts für Frühaufsteher: Ein regelmäßiger Schichtbeginn deutlich vor 6 Uhr morgens ist keine Seltenheit.
Inhalte der Ausbildung zum Glas- und Gebäudereiniger
Die Ausbildung zum Glas- und Gebäudereiniger ist dual, was bedeutet, dass sowohl theoretische und praktische Inhalte vermittelt werden. Während der Lehrling vor allem im Ausbildungsbetrieb Praxiserfahrung sammeln darf, wird die Theorie in der Berufsschule vermittelt. Hier stehen vor allem Materialien, Geräte und chemiekalische Zusammenhänge – zum Beispiel für die Wahl der richtigen Reiningungsmittel – im Vordergrund. Zusätzlich wird viel über die korrekte Organisation gelehrt: Das Lesen und Schreiben von Raum- sowie Arbeitsplänen ist ein wichtiger Teil der Ausbildung, um im späteren Berufsleben möglichst effektiv zu arbeiten.
Wichtige Zwischenschritte sind die Gesellenprüfung Teil I und Teil II, die durch die jeweilige Innung abgenommen werden. Während der erste Teil der Prüfung bereits nach der ersten Ausbildungshälfte abgelegt wird, ist die Ausbildung mit dem Bestehen des zweiten Teils erfolgreich abgeschlossen. Eine begonnene Ausbildung ist übrigens nicht verpflichtend, um die Gesellenprüfung abzulegen. Auch wer bereits mehr als 4,5 Jahre im Gebäudereinigungshandwerk tätig war oder entsprechende Erfahrungen nachweisen kann, darf sich der Gesellenprüfung stellen. Hierfür werden entsprechende Vorbereitungslehrgänge angeboten.
Spezialisierung in der Gebäudereinigung
Nach der abgeschlossenen, dreijährigen Berufsausbildung zum Glas- und Gebäudereiniger kann man direkt als Geselle in seinem Betrieb arbeiten. Zusätzlich bieten sich viele spannende Optionen in der Branche an. So ist der Weg zum Meister im Gebäudereiniger-Handwerk der Schritt, wenn Gesellen eine Führungsposition in ihrem Betrieb übernehmen möchten. Und auch wenn es für eine Selbstständigkeit in der Gebäudereinigung keinen Meisterzwang gibt, ist der Meisterbrief für Selbstständige ein wichtiges Qualitätsmerkmal. Zusätzlich dürfen fertige Meister Hochschulen besuchen. Für Studierwillige gibt es so zum Beispiel einen Bachelorstudiengang im Bereich Hygienemanagement – insbesondere nach der Corona-Pandemie ein Berufsfeld mit Zukunftsperspektive.
Doch auch ohne die Meisterschule stehen dem fertigen Gesellen die Türen für Weiterbildungen offen. So können sich Glas- und Gebäudereinniger als Tatortreiniger, Desinfektoren oder Industriekletterer spezialisieren, wodurch auch entsprechende Gehaltssprünge möglich sind. Auch eine Ausbildereignungsprüfung ist möglich, um selbst die Lehrlingsausbildung mitzugestalten.
Gehalt in der Gebäudereinigung
Die Löhne in der Gebäudereinigung sind für gewerblich beschäftigte Angestellte tarifgebunden. Sie richten sich nach dem Rahmentarif- und Lohntarifvertrag für die Gebäudereinigung, der bundesweit gültig ist. Da sich alle Gebäudereinigungsbetriebe an diesen Löhnen orientieren müssen, haben gewerbliche Mitarbeiter entsprechende Planungssicherheit, was die Auszahlung ihrer Gehälter angeht. Regelmäßige Kontrollen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Zolls sichern die Einhaltung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes.
Im Jahr 2022 verdienen Auszubildende in der Gebäudereinigung demnach 830 Euro monatlich im ersten Lehrjahr. Der Lohn steigt im zweiten Lehrjahr auf 965 Euro und im dritten Ausbildungsjahr auf 1.125 Euro. Nach der Ausbildung wird Gesellen ab 2022 in der „Lohngruppe 6“ ein Stundenlohn von 14,81 Euro gezahlt. Dieser kann je nach Qualifizierung auf bis zu 18,25 Euro (Lohngruppe 9) steigen. Meister der Gebäudereinigung sind zumeist mit eigenen Betrieben selbstständig oder in größeren Unternehmen in die administrative Führung dieser integriert. Hier leiten sie beispielsweise ganze Niederlassungen. In diesem Fall gehören sie nicht zu den gewerblich tätigen Mitarbeitenden – also verhandeln sie ihre Gehälter selbst.
Ungelernte Reinigungskräfte starten im Jahr 2022 in der Lohngruppe 1 mit 11,55 Euro Stundenlohn. Sie können sich durch besondere Aufgaben (z.B. Reinigung hochsensibler Bereiche wie Operationssäle) oder die Qualifizierung als Vorarbeitende bis in Lohngruppe 4 vorarbeiten, wo 13,35 Euro pro Stunde (2022) gezahlt werden.